Lauter schreien als das Kind? Es geht auch anders.

Erziehungsberaterinnen Martina Kokorsch und Elisabeth Frank-Keller geben Eltern Tipps, wie sie bei Auseinandersetzungen mit ihrem Kind reagieren können.
Ich sehe dich und deine Bedürfnisse: Konfliktsituationen lassen sich besser bewältigen, wenn Eltern und Kind dabei in Verbindung bleiben. Foto: Adobe Stock
22. Februar 2024

„…noch eine Folge gucken!“, „Nein!“, „Will aber!“, „Ich sagte NEIN!“ – Gespräche wie dieses kennen viele Eltern nur zu gut. Kleine und größere Konflikte gehören mit Beginn der Autonomiephase im Alter von circa zwei Jahren und über die Pubertät hinweg zum Erziehungsalltag dazu. Eltern erwarten, dass ihre Regeln befolgt werden und Kinder möchten eigenständig Entscheidungen treffen. Das kann in alltäglichen Streitereien über Ordnung, Essensregeln, Medienkonsum und vieles mehr münden. Fühlen Eltern sich in diesen konfliktreichen Situationen überfordert und werden wütend, endet die Auseinandersetzung oftmals in Stress, Geschrei und Tränen. Was können Eltern stattdessen tun?

„Wenn es immer wieder in den gleichen Situationen Streit gibt, kann es sich bewähren, sich in einer ruhigen Minute in einer Familienrunde zusammenzusetzen: Jeder kommt zu Wort, jedem wird zugehört, Gefühle und Bedürfnisse werden benannt. Kinder fühlen sich so ernst genommen und gemeinsam festgelegte Regeln werden eher befolgt. Auf diese Weise kann der ein oder andere Konflikt eher gelöst oder vermieden werden“, rät Martina Kokorsch von der KJF Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung Kaufbeuren-Ostallgäu, die zur Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Augsburg e. V. (KJF Augsburg) gehört.

Bedürfnisorientiert kommunizieren

„Versuchen Sie, dem Kern des Konflikts auf den Grund zu gehen. Alle Gefühle, die im Streit aufkommen, basieren auf Bedürfnissen von Eltern und Kindern, die aufeinandertreffen“, sagt Elisabeth Frank-Keller von der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung Ostallgäu, die ebenfalls zur Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Augsburg e. V. (KJF Augsburg) gehört. Wenn Eltern sich in sich selbst und in ihr Kind einfühlen und sich so über die unterschiedlichen Bedürfnisse klar werden, entsteht Verbundenheit zwischen ihnen und ihrem Kind. Fühlen sich Kinder mit ihren Eltern verbunden, kooperieren sie eher, wollen beitragen und haben oft erstaunlich kreative Vorschläge, wie die Bedürfnisse aller berücksichtigt werden können. Fühlen Eltern sich mit ihrem Kind verbunden, können sie negative Gefühle des Kindes besser aushalten.

Eltern und Kinder können gemeinsam lernen, in Konfliktsituationen in Verbindung zu bleiben. Das gelingt, indem sie ihre Gefühle als Hinweise auf Bedürfnisse sehen und einfühlsam miteinander sprechen. „Verstanden und gehört zu werden, sind wichtige Bedürfnisse aller Menschen. Wenn ich verstehe, dass mein Kind einfach Spaß und Unterhaltung haben möchte, kann ich dies rückmelden und erwidern, dass mir als Elternteil – neben einen spannenden Film zu gucken – auch wichtig ist, dass mein Kind früh genug ins Bett kommt“, so Elisabeth Frank-Keller.

Folgende Tipps können Ihnen als Eltern dabei helfen, in Konfliktsituationen Verbundenheit zu schaffen und zu einem Ausgleich sehr unterschiedlicher Bedürfnisse zu finden:

  • In sich und das Kind einfühlen: Nehmen Sie sich einen Moment, hinter die Gefühle zu schauen und zu erkennen, welche Bedürfnisse bei Ihnen und bei Ihrem Kind verletzt sind.
  • Bedürfnisorientiert sprechen: Gehen Sie möglichst wertneutral und wertschätzend auf Ihr Kind zu. Vermeiden Sie, zu verurteilen und zu interpretieren. Versuchen Sie, die zugrundeliegenden Bedürfnisse des Kindes zu ergründen und diese für Ihr Kind zu formulieren.
  • Gemeinsam lösen: Beziehen Sie Ihr Kind in die Lösungssuche ein, zum Beispiel indem Sie aufmerksam zuhören und Interesse zeigen. Dadurch fühlt sich das Kind zugehörig und lernt, zur Problemlösung beizutragen..
  • Wortschatz vergrößern: Erweitern Sie Ihren Gefühls- und Bedürfniswortschatz mit der Zeit, um in stressigen Konfliktsituationen einfacher erkennen und benennen zu können, um welche Bedürfnisse es geht. So merken Sie zum Beispiel sofort, wenn das Kind noch eine Folge schauen will: „Aha, mein Bedürfnis nach Schutz für mein Kind ist frustriert!“ und „Du hast das Bedürfnis nach Freude und Spaß durch eine weitere Folge.“

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In Kaufbeuren, Buchloe, Füssen und Marktoberdorf sowie an über 25 weiteren Orten in Schwaben, im Allgäu und im Bayerischen Oberland helfen die Erziehungs-, Jugend- und Familienberater*innen der KJF Augsburg bei allen Fragen rund um Erziehung und Familienalltag unkompliziert und kostenfrei weiter. Sie unterliegen der Schweigepflicht.

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Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung der KJF Augsburg
Im Regierungsbezirk Schwaben bietet die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Augsburg e. V. (KJF Augsburg) fast flächendeckend Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungen an. Auch im angrenzenden Bezirk Oberbayern sind die Berater*innen im Landkreis Weilheim-Schongau präsent. Aktuell sind die Fachberater*innen der KJF Augsburg jährlich mit rund 18.000 Personen im direkten Beratungskontakt.

Besondere Beratungen wie Schreibabyberatung oder „Kinder im Blick“-Kurse für Elternteile in Trennung gehören in zahlreichen Landkreisen zum Angebot – über klassische Erziehungsberatung hinaus. In fünf Landkreisen gibt es explizit eine Fachstelle gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen.

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