Lauter schreien als das Kind? Es geht auch anders.

Neu-Ulmer Erziehungsberaterin Sabine Grau gibt Eltern Tipps, wie sie bei Auseinandersetzungen mit ihrem Kind reagieren können.
Ich sehe dich und deine Bedürfnisse: Konfliktsituationen lassen sich besser bewältigen, wenn Eltern und Kind dabei in Verbindung bleiben. Foto: Adobe Stock
22. Februar 2024

„…noch eine Folge gucken!“, „Nein!“, „Will aber!“, „Ich sagte NEIN!“ – Gespräche wie dieses kennen viele Eltern nur zu gut. Kleine und größere Konflikte gehören mit Beginn der Autonomiephase im Alter von circa zwei Jahren und über die Pubertät hinweg zum Erziehungsalltag dazu. Eltern erwarten, dass ihre Regeln befolgt werden und Kinder möchten eigenständig Entscheidungen treffen. Das kann in alltäglichen Streitereien über Ordnung, Essensregeln, Medienkonsum und vieles mehr münden. Fühlen Eltern sich in diesen konfliktreichen Situationen überfordert und werden wütend, endet die Auseinandersetzung oftmals in Stress, Geschrei und Tränen. Was können Eltern stattdessen tun?

Bedürfnisorientiert kommunizieren

„Es ist unglaublich wichtig, dass wir bei einem Streit herausfinden, welche Bedürfnisse bei uns, aber auch bei den Kindern bedroht oder verletzt wurden und damit zu solch starken Emotionen führen“, sagt Sabine Grau von der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung Landkreis Neu-Ulm, die zur Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Augsburg e. V. (KJF Augsburg) gehört. „Dabei ist es vollkommen natürlich, dass Eltern und Kinder eigene und unterschiedliche Bedürfnisse haben. Für eine gesunde psychische Entwicklung müssen Kinder die eigenen Bedürfnisse wahrnehmen, erkennen und sich um diese kümmern. Als soziale Wesen wollen sie aber auch zur Erfüllung der Bedürfnisse von anderen beitragen.“ Wenn Eltern sich also in sich selbst und in ihr Kind einfühlen und sich so über die unterschiedlichen Bedürfnisse klar werden, entsteht Verbundenheit zwischen ihnen und ihrem Kind.

Fühlen sich Kinder mit ihren Eltern verbunden, kooperieren sie eher, wollen beitragen und haben oft erstaunlich kreative Vorschläge, wie die Bedürfnisse aller berücksichtigt werden können. Fühlen Eltern sich mit ihrem Kind verbunden, können sie negative Gefühle des Kindes besser aushalten. „Tatsächlich gibt es keine richtig negativen Gefühle im wörtlichen Sinne – Emotionen wie Wut können uns aber auf verletzte Bedürfnisse hinweisen. Die aufkommende Wut ist quasi wie ein Verkehrsschild, das einen zum Anhalten und Nachdenken darüber zwingt, was die andere Person eigentlich gerade bräuchte. Eine solche Interpretation hilft uns, auch unseren eigenen Bedürfnissen einen angemessenen Raum geben zu dürfen und mit dem Kind in Verbindung zu bleiben. Es fällt uns dann leichter, im Gespräch einfühlsam, bedürfnisorientiert und ermutigend zu sein“, erklärt die Erziehungsberaterin.

Folgende Tipps können Ihnen als Eltern dabei helfen, in Konfliktsituationen Verbundenheit zu schaffen und zu einem Ausgleich sehr unterschiedlicher Bedürfnisse zu finden:

  • In sich und das Kind einfühlen: Nehmen Sie sich einen Moment, hinter die Gefühle zu schauen und zu erkennen, welche Bedürfnisse bei Ihnen und bei Ihrem Kind verletzt sind.
  • Bedürfnisorientiert sprechen: Gehen Sie möglichst wertneutral und wertschätzend auf Ihr Kind zu. Vermeiden Sie, zu verurteilen und zu interpretieren. Versuchen Sie, die zugrundeliegenden Bedürfnisse des Kindes zu ergründen und diese für Ihr Kind zu formulieren.
  • Gemeinsam lösen: Beziehen Sie Ihr Kind in die Lösungssuche ein, zum Beispiel indem Sie aufmerksam zuhören und Interesse zeigen. Dadurch fühlt sich das Kind zugehörig und lernt, zur Problemlösung beizutragen.
  • Wortschatz vergrößern: Erweitern Sie Ihren Gefühls- und Bedürfniswortschatz mit der Zeit, um in stressigen Konfliktsituationen einfacher erkennen und benennen zu können, um welche Bedürfnisse es geht. So merken Sie zum Beispiel sofort, wenn das Kind noch eine Folge schauen will: „Aha, mein Bedürfnis nach Schutz für mein Kind ist frustriert!“ und „Du hast das Bedürfnis nach Freude und Spaß durch eine weitere Folge.“

Unterstützung in Ihrer Nähe
In Neu-Ulm und Illertissen sowie an über 25 weiteren Orten in Schwaben, im Allgäu und im Bayerischen Oberland helfen die Erziehungs-, Jugend- und Familienberater*innen der KJF Augsburg bei allen Fragen rund um Erziehung und Familienalltag unkompliziert und kostenfrei weiter. Sie unterliegen der Schweigepflicht.

KJF Soziale Angebote Nordschwaben
Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung Landkreis Neu-Ulm

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Zusätzlich kann die anonyme Onlineberatung unter bke-beratung.de genutzt werden.

Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung der KJF Augsburg
Im Regierungsbezirk Schwaben bietet die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Augsburg e. V. (KJF Augsburg) fast flächendeckend Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungen an. Auch im angrenzenden Bezirk Oberbayern sind die Berater*innen im Landkreis Weilheim-Schongau präsent. Aktuell sind die Fachberater*innen der KJF Augsburg jährlich mit rund 18.000 Personen im direkten Beratungskontakt.

Besondere Beratungen wie Schreibabyberatung oder „Kinder im Blick“-Kurse für Elternteile in Trennung gehören in zahlreichen Landkreisen zum Angebot – über klassische Erziehungsberatung hinaus. In fünf Landkreisen gibt es explizit eine Fachstelle gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen.

Alle Standorte und Ansprechpersonen der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung der KJF Augsburg finden Sie auf der Website der KJF Kinder- und Jugendhilfe.